Breitflügelfledermaus (Eptesicus serotinus)

Bild: © D. Nill

 

Vorkommen im Bereich Seligenstadt und Mainhausen 1985 bis 2016

Breitflügelfledermäuse finden sich nur sehr selten in den Kästen im Wald. Sie bewohnen die Siedlungen und fliegen in der Regel nur zum Nahrungserwerb in die Wälder. Der einzige Nachweis stammte aus dem Frühjahr.

Nachweise der Breitflügelfledermäuse beim Kastenmonitoring im Ostkreis Offenbach:

Insgesamt 3 Einzelnachweise jeweils im Frühjahr:

  • FLM20   2017   4 Tiere
  • FLM20   2020   2 Tiere
  • FLM20   2022   2 Tiere

Kennzeichen

Eine große,18 bis 25g schwere robuste Fledermaus mit breiter Schnauze. Spannweite 31,5-38,1m. Das lange Fell ist farblich variabel, meist mittel- bis dunkelbraun, besonders im östlichen Mittelmeergebiet mit gelb-goldenen Spitzen. Es treten auch schwarzbraune, graubraune und rotbraune Tiere auf. Die Unterseite ist wenig abgesetzt heller braun bis gelblich-braun. Die Gesichtspartie ist meist schwarzbraun gefärbt, die Ohren sind mittellang, derbhäutig und am Ende abgerundet. Die Flügel machen im Vergleich zu den Abendseglern einen breiten Eindruck.

Lebensraum

Besiedelt das ganze Spektrum mitteleuropäischer und mediterraner Lebensräume und ist kaum auf Wald angewiesen. Als Jagdgebiete dienen ausgeräumte landwirtschaftliche Flächen ebenso wie strukturreiche Siedlungsränder, Parks, Streuobstwiesen, Viehweiden, Waldränder, Gewässer, aber auch das Innere von Dörfern, Städten und Großstädten. Wälder werden meist nur entlang von Schneisen und Wegen beflogen. Die höchste Dichte jagender Tiere kann über Viehweiden, Streuobstwiesen, Parks mit Einzelbäumen und an Gewässerrändern beobachtet werden. Wichtig scheint ein lockerer Bewuchs mit Laubbäumen zu sein. In Mitteleuropa liegen Wochenstuben selten über 80o m Höhe, Einzeltiere und Männchen kommen jedoch auch regelmäßig in höheren Lagen vor. Die Häufigkeit ist im norddeutschen Tiefland und den benachbarten Gegenden sehr viel größer als im südlichen Mitteleuropa.

Quartiere

In Mitteleuropa finden sich Wochenstuben fast ausschließlich in Gebäuden. Einzeltiere können neben Baumhöhlen und Fledermauskästen eine Vielzahl von Quartieren an Gebäuden annehmen: hinter Schalbrettern, Verkleidungen und Dachrinnen oder in Mauerritzen und Bohrlöchern. Wochenstuben sind meist in Spalträumen im Inneren ungenutzter Dachstühle oder aber in großräumigen Spalten hinter Fassadenverkleidungen, in Zwischendächern, größeren Lüftungsschächten und Fertigungsfugen großer Hochhäuser anzutreffen. Im Mittelmeerraum werden neben Gebäuden und Brücken auch Spalten in Felswänden und im Eingangsbereich großer Höhlen besiedelt. Den Winter verbringt wohl ein Großteil der Tiere in Gebäuden in Zwischendecken und auch im Inneren isolierter Wände sowie in Felsspalten. In Höhlen werden einzelne Tiere und selten kleinere Gruppen an trockenen und kalten Stellen in Spalten und im Bodengeröll gefunden.

Verhalten

Wochenstuben bestehen aus 10-60 adulten Weibchen, in Einzelfällen aus bis zu 300 Tieren. Die Kolonien bauen sich ab Anfang Mai auf, sie werden normalerweise den ganzen Sommer über beibehalten und werden im August wieder verlassen. Im Quartier sind einzelne Männchen mit einer Vielzahl anderer Arten vergesellschaftet, die sind zwar teilweise im gleichen Gebäude wie andere Fledermausarten, in der Regel aber von diesen räumlich getrennt. Männchen können Kolonien mit bis zu 2o Tieren bilden.

Fortpflanzung

Die Paarung findet im September und Oktober statt, die Geburt des meist einzelnen Jungen erfolgt in Mitteleuropa etwa Mitte Juni, Zwillinge sind selten. Es gibt allerdings auch späte Geburten bis in den August. Auch im Mittelmeerraum können einzelne trächtige Weibchen noch im August gefangen werden. Der relativ hohe Anteil von nicht reproduzierenden, aber ausgewachsenen Weibchen in manchen Wochenstuben und bei Netzfängen spricht für ein Eintreten der Geschlechtsreife im zweiten Jahr. Jungtiere werden mit einer Unterarmlänge von etwa 22 mm und einem Gewicht von 5,8 g geboren, die Augen öffnen sich nach 5-7 Tagen, am Ende der ersten Woche sind die Tiere voll behaart. Mit 14 Tagen erreichen sie 13 g. Ab etwa dem 17. Tag fangen die Jungtiere an ihre Flügel zu strecken und beginnen, in Mitteleuropa, am Ende der dritten Woche zu fliegen. Der Ausflug aus dem Quartier erfolgt mit 4-5 Wochen, die Jungen werden wenig später entwöhnt. Auch während der Wochenstubenzeit können einzelne Weibchen für eine Nacht in bis zu 10 km entfernte Ausweichquartiere wechseln [5]. Weibchen jagen meist innerhalb eines 4,5 km-Radius um das Quartier, in Einzelfällen in bis zu 12 km Entfernung. Es werden 2-10 verschiedene Teiljagdgebiete aufgesucht, die meist über Leitlinien wie Hecken, Gewässer oder Wege miteinander in Verbindung stehen. Transferflüge sind schnell und erfolgen in 10-15 m Höhe. Einzelindividuen können so ein Jagdgebiet von im Mittel 4,6 km2 und im Extrem von bis zu 48km2 befliegen.

Nahrungserwerb

Die Beute wird in wendigem und raschem Flug entlang von Vegetationskanten, beim Umkreisen von Einzelbäumen oder im freien Luftraum erbeutet. Oft werden einzelne Straßenlampen über längere Zeiträume abpatrouilliert. Suchflüge erfolgen auf langen gleichmäßigen Bahnen, aus denen beim Entdecken einer Beute ausgebrochen wird. Ein Absammeln der Beute direkt vom Boden (frisch gemähte Wiesen) oder vom Kronendach der Bäume (Maikäfer) kommt ebenfalls vor]. Auch große Beutetiere wie Maikäfer werden im Flug verzehrt, die Fledermäuse fliegen dann meist auf gleichmäßigen Bahnen im offenen Luftraum. An manchen Stellen können kurzfristig bis zu 2o Breitflügelfledermäuse gleichzeitig auf engem Raum angetroffen werden. In solchen Fällen werden vermutlich Insektenschwärme ausgebeutet.

Nahrung

Breitflügelfledermäuse reagieren flexibel auf die Verfügbarkeit von Beute. Zu den jeweiligen Flugzeiten bilden Dung-, Juni und Maikäfer die Hauptbeute. Daneben werden auch Nachtfalter und eine Vielzahl anderer Insekten, besonders Schlupfwespen und Wanzen erbeutet. Im Frühjahr spielen Zweiflügler eine große Rolle. Die Beute unterscheidet sich allerdings lokal stark und ist nicht nur auf Fluginsekten beschränkt. Bei Massenauftreten von Maulwurfsgrillen oder von schlüpfenden Mai- und Junikäfern können diese auch am Boden gefangen werden.

Höchstalter

Das nachgewiesene Höchstalter liegt bei knapp 24 Jahren.

Wanderungen

Breitflügelfledermäuse sind meist standorttreu und die Entfernungen zwischen Sommer- und Winterquartieren gering. Der Großteil der Winterfunde liegt innerhalb eines 50 km-Radius um die Sommerquartiere. Einzelne weite Überflüge von bis 330 km gehen vermutlich auf Fernansiedlungen und Dispersionsbewegungen zurück.

Fledermaustollwut

Die Fledermaustollwut kommt in Europa nahezu ausschließlich bei der Breitflügelfledermaus vor, 95 % der Tollwutnachweise bei Fledermäusen entfallen auf sie, während bei anderen Arten nur Einzeltiere betroffen sind. Es handelt sich dabei um ein 1985 entdecktes Virus, das als European Bat Lyssavirus I bezeichnet wird. Die meisten Nachweise von EBL I konzentrieren sich dabei auf die Küstengebiete im nördlichen Deutschland, Dänemark, der Niederlande und Polen. Einzelfälle wurden aber in ganz Europa und der Türkei gefunden. In Dänemark wurden 160 von 663 in den 1980er-Jahren untersuchten Breitflügelfledermäusen positiv getestet, auch in angrenzenden Populationen waren bis zu 20% der Tiere infiziert. Die meisten Breitflügelfledermäuse erholen sich von einer Infektion, tragen den Virus aber weiter in sich. Schwer erkrankte Fledermäuse sind geschwächt und können flugunfähig aufgefunden werden. Sie verhalten sich meist abnorm, schreien bei leichtesten Berührungen, krampfen, bewegen sich langsam und unkoordiniert bzw. sind teilweise paralysiert, verweigern Nahrung und Wasser. Eine erhöhte Bissigkeit ist nur selten festzustellen. Es besteht sicher kein Grund zu übermäßiger Besorgnis oder gar Panik. Eine Übertragung kann nur durch Bisse erfolgen, einfache Vorsichtsmaßnahmen wie das Tragen von Handschuhen beim Fang oder Fund der Tiere reichen vollkommen aus. Menschen, die häufig mit Fledermäusen in Berührung kommen, sollten eine Tollwutimpfung durchführen lassen, die zuverlässig vor einer Ansteckung schützt. Für die Bewohner von Gebäuden mit Breitflügelfledermaus-Kolonien besteht kein Risiko, solange keine Fledermäuse in die Hand genommen werden.

Gefährdung

  • Quartierverlust durch Gebäudesanierungen: Renovationen, Sanierungen zur energetischen Optimierung der Gebäudehülle, Verschluss der Zugänge, Umnutzungen, Holzschutzmittel
  • Störungen im Winterschlaf
  • Nahrungsmangel durch Ausräumung der Landschaft, Intensivierung und Insektenbekämpfung in der Land- und Forstwirtschaft

Schutzmaßnahmen

  • Schutz aller Wochenstuben, baulicher Veränderungen am Quartier auf ein absolutes Minimum, auch außerhalb der Aufzuchtszeit.
  • Schutz und Förderung von extensiv genutzten, mosaikartigen Landschaften, z.B. Streuobstwiesen, Magerwiesen, artenreiche Brachen, lichten Wäldern etc.
  • Förderung der Vorkommen von Großinsekten wie Dung-, Mai- und Junikäfer, Maulwurfsgrillen, Wanzen etc. Verzicht auf Einsatz von Insektiziden in der Land- und Forstwirtschaft.
  • Reduktion der Lichtverschmutzung. (insbesondere dunkele Korridore).

Weiterführende Info’s:

Hessen Forst

BfN

 

AgFA