Einleitung
Einst war er in Deutschland weit verbreitet, mitunter teilweise häufige. Der Laubfrosch (Hilla arborea) ist heute vielerorts selten oder verschwunden. Die fortschreitende Intensivierung der Landwirtschaft begünstigt diesen Trend immer noch. Flächenversiegelung, Straßenbau und der meist illegale Besatz von Laichgewässern mit Fischen hat erheblichen Anteil an dem weiteren Rückgang. In den vergangenen Jahren konnte durch Naturschutzprojekte lokale und regionale Zunahme von Laubfroschbeständen erreicht werden. Durch weiträumige Isolation und fehlende Wanderkorridore ist die Besiedlung zwischenzeitlich hergerichteter, geeigneter Lebensräume in der Regel nicht möglich. In diesen Fällen ist über die Wiederansiedlung von Laubfröschen nachzudenken.
Thomas Brandt & Eva Lüers beschreiben in (Hachtel et.all, Um- und Wiederansiedlung von Amphibien und Reptielien, 2017) [UWAR 2017] ein 2005 gestartetes und wissenschaftlich begleitetes Projekt mit dem Ziel, den etwa 30 Jahre zuvor ausgestorbenen Laubfrosch in der westlichen Steinhuder-Meerniederung wieder heimisch zu machen.
Ehemalige Verbreitung in Hessen
Historische Verbreitung
Über die Verbreitung des Laubfrosches in historischen Zeiträumen liegen für Hessen kaum Informationen vor. Mertens (1947) gibt an, dass die Art im Rhein-Main-Gebiet „weit verbreitet und aus fast allen Landschaften bekannt“ sei. Am linken Mainufer gehöre er „zu den gewöhnlichsten Erscheinungen“. ( Hill, B.T. & R. Polivka (2010): Artenhilfskonzept Laubfrosch (Hyla arborea) in Hessen – Aktuelle Verbreitung und Maßnahmenvorschläge. [AHK-L])
Verbreitung und Bestandssituation im Landkreis Offenbach
2010 existierten im Kreisgebiet Offenbach 3 räumlich getrennte Teilpopulationen mit unterschiedlicher Größe und Anzahl an Rufgewässern. Das Vorkommen im NSG Nachtweide von Patershausen, mit damals 500 rufenden Männchen, wurde als entscheidend für das Überleben der Art im Kreisgebiet angesehen. Es sei eines der größten Einzelvorkommen in Hessen. Noch 1999 bezifferte sich der Bestand dort laut Demuth-Birkert auf > 150 Rufer.
Für den Bereich im Dudenhöfer Feld gibt [AHK-L] eine kleine Lokalpopulation (25-30 Rufer) im NSG Thomassee und Rotsohl an. Die als Ausgleichsmaßnahme angelegten Teiche für das Postzentrum sind inzwischen ebenfalls vom Laubfrosch besiedelt. Reproduktionsnachweise waren bis dahin nicht gelungen. Die A 3 im Osten und die B 45 bzw. das Siedlungsband von Rodgau führen nach Einschätzung von [AHK-L] zur Isolation des dortigen Vorkommens. Einzig mit dem Rodgauer Kalksandsteinwerk wäre ein Austausch denkbar, die wahrscheinlich mit der großen Metapopulation an der Unteren Gersprenz vernetzt seien.
Die Situation im Landkreis sei exemplarisch für die im ganzen Land. Kleinere und isolierte Rufgemeinschaften an der Peripherie verschwänden, wie z.B. im NSG Bruch von Gravenbruch, an der Kläranlage Offenthal und bei Zellhausen (vgl. Jedicke 2000). Geske (1999) nimmt an, dass inzwischen erloschene verstreute Kleinvorkommen im Kreis auf Aussetzungen zurückzuführen seien.
Die Mehrzahl der damals festgestellten Rufgruppen im Kreisgebiet (ca. 60 %) seien Kleinstvorkommen (<5 Rufer), die ohne Zuwanderung aus dem NSG Nachtweide von Patershausen nicht überlebensfähig sind („Sink“- oder Satelliten-Populationen).
Projektvoraussetzungen
[UWAR 2017] nennt folgende Voraussetzung für eine positive Bewertung einer Wiederansiedlung:
- großflächiges Gebiet mit geeigneten Lebensräumen mit Ausbreitungsmöglichkeiten
- eine große Zahl geeigneter Laichgewässer
- Sommerlebensräumen und Überwinterungsmöglichkeiten
- Vermeidung der Ausbringung von Agrarchemikalien auf Grünland- und Ackerfläche
- keine Zerschneidung mit Straßen
- wissenschaftliche Betreuung
- Sicherung des Gebietes durch Natura 2000 oder als Naturschutzgebiet
- Beseitigung der Ursachen des Verschwindens der Art, besonders der Verlust der Laichgewässer
- natürlichen Wiederbesiedlung ist weitgehend auszuschließen
Empfehlungen zur Wiederansiedlung
Am 9. Dezember 1981 verabschiedete das ANL/BFANL-Kolloquium in Augsburg seine „EMPFEHLUNGEN FÜR DIE WIEDEREINBÜRGERUNG GEFÄHRDETER TIERE“ und stellte hierfür die folgenden Empfehlungen auf:
- Ansiedlungen kommen nur bei den Arten infrage, die trotz aktiven und intensiven Schutzes ihrer Restbestände nicht in der Lage sind (in absehbarer Zeit), auf natürliche Weise ihre früheren Vorkommensgebiete wieder zu besiedeln.
- Der Aussetzung soll eine Untersuchung der Ursachen des Erlöschens bzw. des Rückgangs der betreffenden Art vorausgehen.
- Die Aussetzungen müssen innerhalb des gegenwärtigen oder historischen Verbreitungsgebietes und in geeigneten Lebensstätten (Biotopen) durchgeführt werden.
- Eine sorgfältige Auswahl optimaler Aussetzungsplätze einschl. der Beseitigung der Gefährdungsursachen und der Durchführung gezielter Pflege- oder Gestaltungsmaßnahmen muss noch vor der Aussetzung der Tiere erfolgen.
- Erstellung einer Erfolgsprognose nach wissenschaftlichen Methoden und vergleichbaren Erfahrungen für das geplante Aussetzungsprojekt, in der u.a. alle möglichen Folgen der Aussetzung analysiert werden (wirtschaftliche, epfzootische, ökologische).
- Information der örtlichen Bevölkerung und aller Interessengruppen über Ziele und Ablauf der geplanten Vorhaben, um deren Zustimmung oder Unterstützung zu sichern.
- Verzicht auf Maßnahmen, die anderen Zielen des Naturschutzes widersprechen, wie z.B. eine Reduktion oder Ausrottung anderer Arten.
- Beschaffung und Aussetzung müssen in Übereinstimmung mit den geltenden Rechtsbestimmungen erfolgen (Fangerlaubnis, Washlngtoner-Artenschutzübereinkommen, Import-Export-Vorschriften, Tierschutzrecht, evtl. Aussetzungserlaubnis etc).
- Zur Aussetzung sollen nur Tiere gelangen, die taxonomisch und ökologisch der ehern. Population identisch oder möglichst ähnlich sind.
- Die Entnahme von Tieren für Aussetzungszwecke darf nicht aus Populationen erfolgen, die dadurch gefährdet würden.
- Bei der Durchführung der Aussetzungsaktionen muss dafür Sorge getragen werden, dass
- durch entsprechende Vorbereitung die Einpassung der Tiere in den neuen Lebensraum erleichtert wird,
- seine natürlichen Verhaltensweisen zur Entfaltung kommen können,
- eine rasche Vermehrung erfolgen kann.
- Eine fortlaufende Betreuung und Überwachung der ausgesetzten Tiere bis zum Zeitpunkt ihrer Integration in die örtliche Biozönose muss gewährleistet sein.
- Eine angemessene zeitliche Begrenzung der Projekte ist erforderlich, um zu verhindern, dass ohne Chancen echter Ansiedlung permanent ausgesetzt wird.
- Unerlässlich ist das Führen einer Dokumentation. Sie soll für eine wissenschaftliche Auswertung zugänglich sein.
- Die Aussetzung soll in zwei Etappen erfolgen:
- zunächst in einem eng begrenzten Raum, bis feststeht, ob eine echte Ansiedlung möglich ist und falls ja
- bei Vorhandensein zusagender Biotope an mehreren Punkten des früheren Areals.
Soweit es notwendig und möglich ist, sollten Ansiedlungen auch international abgestimmt bzw. koordiniert werden.
Beschriebene Umsiedlung
[UWAR 2017] beschreibt folgendes Vorgehen bei der Wiederansiedlung, Aufzucht und Freilassen von Kaulquappen:
- In drei Jahren wurde alljährlich eine unterschiedliche Anzahl von Laichballen aus vier stabilen Populationen in der Region Hannover entnommen (Entfernung zum Projektgebiet 26-45 km). Der Großteil der Larven wäre durch die frühzeitige Austrocknung der Gewässer nach Erfahrungen des Gebietsbetreuers ohnehin eh verloren gegangen.
- Die Laichballen wurden in Aquarien überführt und unter halbsterilen Bedingungen (Aquarien ohne Substrat, Pflanzen oder sonstige Einrichtungsgegenstände, wurden die geschlüpften Kaulquappen bis zu einer Größe von max. 4 cm Länge vorgezogen und anschließend in verschiedenen Gewässern ausgesetzt.
- Zusätzlich wurden einmalig 1930 Kaulquappen mit Abstammung aus dem Kreis Minden-Lübbecke (Entfernung zum Projektgebiet 30 km) aus austrocknenden Gewässern entnommen und im Gebiet freigelassen.
- Insgesamt wurden im NSG Meerbruchswiesen in vier Jahren 8514 Kaulquappen in 15 Gewässern freigelassen.
- Der Besatz erfolgte in 3 bis 8 Gewässern.
- Alle Entnahmen und Freilassungen erfolgten mit Genehmigung durch die verantwortlichen Naturschutzbehörden.
Bestandsmonitoring anhand von Ruferkartierungen
[UWAR 2017] beschreibt die Dokumentation der Entwicklung der Population über 8 Jahre. Für das Monitoring wurde folgendes Verfahren gewählt:
- Vom festgestellten Rufbeginn bis etwa Mitte Juni wurde pro Woche die Zahl der rufenden Männchen erfasst.
- Bei optimalem Wetter wurde die Jahresgesamt-Ruferzahl entsprechend der Zählmethode der Vorjahre in jeweils einer von drei Zählungen ermittelt
- Ab ca. einer Dreiviertelstunde nach Sonnenuntergang wurden alle Rufgewässer mit Rad oder PKW angefahren oder zu Fuß angegangen, die Rufergruppengröße geschätzt und einer Größenkategorie zugeteilt.
- Größenkategorie:
- 1,
- 2,
- 3-5,
- 6-10,
- 11-20,
- 21-50,
- 51-100,
- 101-200 und
- 201-500 Rufer
- Die Kartierungen erfolgten gleichzeitig mit bis zu vier Personen, um die jeweils optimale Kartierzeit möglichst effektiv ausnutzen zu können.
- Insgesamt wurden für das Monitoring der wachsenden Population ca. 2500 Beobachtungsstunden aufgewendet.
- Herbstrufer und sonstige Beobachtungen von Laubfröschen wurden nicht berücksichtigt.
Projektgebiet
Als Wiederansiedlungsgebiet sind die Naturschutzgebiete Obermannslache (209 ha) und Langhorst (822 ha) zwischen Froschhausen und Hainstadt vorgesehen. Direkt anschließend im Süden befindet sich das NSG Schwarzbruch (550 ha) und das NSG Fasanengarten (168 ha). Insgesamt sind ca. 1.800 ha, nicht durch Straßen zerschnittene, ausgewiesene NSG-Fläche für die Wiederansiedlung des Laubfrosches vorhanden. Anschließend an das NSG Schwarzbruch, ist durch die Landesstraße L 2310 getrennt, das NSG Kortzenbach (404 ha).
Für die Wiederansiedlung sind die „IUCN Richtlinien für Wiedereinbürgerungen 1998“ einzuhalten.
Erfassungsmethoden laut Artensteckbrief Laubfrosch
Int. | Methoden | Standardisierung | Bemerkungen |
---|---|---|---|
* | Beobachtung von sich sonnenden Adulti am Tage | – drei Begehungen zwischen Ende April und Mitte/Ende Juni bzw. bis in den Sommer hinein | – nur Artnachweis – relativ unergiebig – bietet kaum Vorteile gegenüber der akustischen Erfassung |
** | akustische Erfassung (inkl. Ableuchten der Wasserfläche) | – zwei Begehungen mit Klang- attrappe zwischen Ende April und Mitte Juni – ggf. Ableuchten und Zählen von rufenden Tieren auf der Wasseroberfläche – hilfreich bei größe ren Beständen – vor allem an milden Abenden bis ca. 2:00 h bei schwüler Luft und nach mildem Regen; ein Temperaturanstieg nach kühlem Wetter wirkt stimulierend |
– Gewinnung relativer Abundanzen anhand der Rufaktivität – jedoch größere Rufergruppen schwer und nur recht subjektiv schätzbar – Rufgewässer vielfach nicht mit Reproduktionsgewässer gleichzusetzen |
** | Fang mit Wasserke- scher bzw. aquatischen Trichterfallen | – In Abhängigkeit von Gewässerstruktur und –größe Einsatz von Kescher (kleinere Gewässer) oder Trichterfallen – eine Begehung im Juni |
– Larven-Nachweis – Hohe Verlustrate bei Larven in Trichterfallen, wenn bspw. Kammmolche syntop vorkommen |
** | Suche nach Metamorphlingen (Jungtieren) | – zwei Kontrollen im Juli bis Anfang August – Suche in windgeschützten Hochstaudenfluren/Heckensäumen etc., ggf. auch in größerer Gewässerentfernung |
– Zeitliche Standardisierung möglich – Bevorzugte Sitzwarten der Tiere breitblättrig und besonnt |
*** | Fangzaun am Ufer oder Fangkreuze/-zaun in terrestrischen Habitaten größerer Gewässerentfernung | – Standardisierung nur bei mehrjähriger Durchführung erforderlich, primär vom Untersuchungsziel abhängig | – primär zur Aufklärung der Lage wichtiger Landhabitate einer Population – Problem: die Art lässt sich schlecht mit Zäunen fangen |
*** | Fang-Wiederfang-Methode in Kombination mit Kescherfängen und/oder Fang mittels Fangkreuzen bzw. –zaun | – s.o.; jedoch erforderliche Häufigkeit des Fangs von Populationsgröße abhängig – keine generelle Empfehlung sinnvoll | – dabei auch evtl. Metapopulations-Strukturen untersuchen |
Int. = Intensitätsstufe der Erfassung; ** = Standar dmethode(n).
Empfohlen werden als Standardmethoden die akustische Erfassung mittels Klangattrappe sowie ergänzt durch Ableuchten der Wasseroberfläche.
Für den Reproduktionsnachweis dürfte in vielen Fällen der Einsatz des Keschers (v.a. bei kleineren Gewässern), ggf. von aquatischen Trichterfallen im Juni ausreichen.
Um schließlich den Metamorphose-Nachweis zu erbringen, sollte im Juli/August in geeigneten Strukturen nach Jungtieren gesucht werden.
(aus POLIVKA & HILL (2010): Artensteckbrief Laubfrosch)
Fazit
Die Wiederansiedlungen einzelner Pflanzen- und Tierarten werden weltweit immer häufiger. Einige sind erfolgreich, viele missraten. Bei der Wiederansiedlung des Laubfrosches im Bereich des NSG Obermannslache / Langhorst sind die Prognosen sehr positiv! Eine Vielzahl von potentiellen Laichtümpeln, Das NSG Hochbruch von Hausen und das NSG Woog sind von dort dann natürlich wieder besiedelbar. Der Zugang zum Klein-Krotzenburger Mainbogen ist möglich.
Vor der angestrebten Wiederbesiedlung ist auszuschließen, dass der Laubfrosch im geplanten Bereich tatsächlich nicht vorkommt. Eine Überprüfung ist für das laufende Jahr 2018 durch Verhören der Art im Mai / Juni vorgesehen.
Weiterführende Literatur:
Artengutachten 2003 Laubfrosch in Hessen
Artensteckbrief Laubfrosch 2010
Hachtel et.all, Um- und Wiederansiedlung von Amphibien und Reptielien, 2017, LAURENTI Verlag ISBN978-3-933066-59-6